Denkfallen für das richtige Essen
Erstellt von r.ehlers am Montag 26. Mai 2014
-the-guardian.com-
Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, von vielen gesehen als der bedeutendste Psychologe unserer Zeit, hat einen starken allgemeinen Trend begründet, konsequent den typischen Fallen des menschlichen Denkens nachzugehen, die uns den Blick auf die Realitäten verstellen und uns zu unklugen Verhaltensweisen führen. Die Regeln des Denkens sind festgeschrieben durch die formale Logik. Wir bewegen uns in unseren kognitiven Prozessen aber auch in der Welt der Gefühle, die sich einfach nicht um logische Fogerichtigkeit scheren will. Von den schrecklichen Folgen dieser Fehleinschätzungen betroffen sind wir Menschen in unserer Individualität, aber auch unsere privaten Verbindungen wie auch alle gesellschaftlichen Gemeinschaften. Wenn Sie sich mal ausnehmend intelligent und flott unterhalten lassen wollen, kann ich Ihnen sehr das kleine Buch von Rolf Dobelli empfehlen: Hanser Verlag, 2012
Dobelli zeigt die typischen falschen Denkmuster auf, in denen wir uns immer wieder verstricken. Die Gefahren, uns vorschnell und vorurteilsbeladen zu entscheiden, lauern überall. Nicht einmal die Koryphäen des neuen Denkens sind davor gefeit, in diese Fallen zu tappen. Zum Beispiel Daniel Kahnemann selbst, der in den Fragen der Wirkung der Nahrungsaufnahme auf unsere Entscheidungsprozesse selbst voll ins Fettnäpfchen tritt. Kahnemanns Fehler ist allerdings einer der häufigsten aller Denkfallen geschuldet, der der falschen Kausaltiät.
- Ein Unterfall der falschen Kausalität ist die Verwechslung von Ursache und Wirkung. Ein Beispiel ist die aus wissenschaftlichen Studien gezogene Schlussfolgerung, dass lange Verweilzeiten in Krankenhäusern für die Patienten (und die Krankenkassen) nachteilig seien. Aber sind denn nicht die Patienten, die schnell entlassen werden können, einfach gesünder als andere?
- Kinder aus bücherreichen Haushalten sollen laut Studien in der Schule besser sein als andere. Wer sich deshalb wie wild Bücher ins Regal stellt, liegt aber falsch. Es ist nur so, dass gebildete Eltern, die viel lesen, ihren Kindern mehr geistige Anreize geben. Die Korrelation von vielen Büchern zuhause und guten Noten in der Schule ist zwar rein äußerlich da, sie ist aber nicht entscheidend. Es kommt auch sehr auf den Inhalt der Bücher an. Meterweise Kriminal- und Loreromane zu lesen oder auch nur ins Regal zu stellen, macht niemanden klüger!
- Mit solch verquerer Logik kann man auch beweisen, dass der Storch die Kinder bringt (Dobelli, S.155). Denn von 1965 bis 1987 ist in demselben Maße, in dem die Zahl der brütenden Störche in Deutschland zurückkging, auch die Zahl der menschlichen Geburten im Lande zurückgegangen.
Nur wer stets auf der Hut bleibt kann verstehen, dass eine Parallelität von Ereignissen nicht zwingend mit dem ewigen Gesetz von Ursache und Wirkung zu tun hat, sondern sich aus den unüberschaubaren alternativen Möglichkeiten fortentwickelt, was nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit auch zu koinzidenziellen Zusammentreffen führen kannn. Es ist daher auch irreal zu glauben, dass der nächste Wurf beim Roulette mit größerer Wahscheinlichkeit auf eine andere Farbe kommt, nachdem es schon ein Dutzend mal und mehr immer nur ein und dieselbe Farbe gab. 1913, so berichtet Dobelli, verloren die Spieler an einem der Tische im Spielcasiso in Monte Carlo Millionen, als nacheinander 26 Mal die Kugel auf „Schwarz“ fiel. Alle hatten nach und nach immer mehr Geld auf „Rot“ gesetzt, bis sie pleite waren.
Was aber sagen Sie zu Folgendem?
Kahnemann kritisiert die wahrlich oberflächlichen Beobachtungsstudien, die uns weis machen wollen, dass es der Hunger sei, der Menschen schmerzempfindlicher mache und dazu brächte, sich unbeherrscht und egoistisch zu verhalten, aggressiv aufzutreten und unflätig zu fluchen. Der Hunger unterliegt aber vielen Kontrollen, sowohl durch das Essen, die Gewohnheiten wie auch durch umfangreiche hormonelle Hungerregularien -in letzter Instanz durch das oberste Esskontrollhormon (Botenstoff) Serotonin. Wie schnell man sich angesichts erkannter Parallelitäten zu Fehlschlüssen versteigt, zeigt Kahlemann mit seiner selbstgestrickten Begründung. Er lehrt, dass „intensives Nachdenkenden Körper auslauge.“ Wie beim Ausdauerlauf ginge der Blutzuckerwert in den Keller. Es fehle sodann die besonders für das Gehirn unverzichtbare Glukose, was zum Nachlassen der Hirnleistung führe. Hat er noch nie vom Hochgefühl der Langläufer, dem „runners high“, gehört? Neben anderen kausalen Abläufen wie dem Ablauf der Stoffwechselvorgänge ist es ohne jeden Zweifel die Wirkung des Schlüsselhormons Serotonin, dass alle geschilderten Befindlichkeiten entscheidend bestimmt, s. http://www.essenspausen.com/viele-wege-zum-serotonin/ . In der Frage der Wirkung der Nahrungsaufnahme auf unser Wohlbefinden zeigt Kahnemann, der doch gerade den Unterschied zwischen schnellem und gründlichen Nachdenken herausstellt, wie schnell auch er zu noch grundlegenderen fundamentalen Fehlschlüssen kommt. Da behauptet er wie der Oecotrophologe Uwe Knop unabhängig von ihm auch, dass „der Körper in der Regel sehr gut (wisse) .., was ihm guttut und wann er Nahrung braucht.“
Knops irgendwie griffige Hypothese, von der sich auch manche fachliche Laien angesprochen fühlen, ist aber grundfalsch, was jeder mit ein wenig Nachdenken sofort verstehen kann. Im Vergleich zum Gehirn ist unser Körper ausgesprochen dumm, selbst wo auch er über Milliarden oder Billionen von Nervenzellen – das m.E. zu Unrecht so genannte Bauchgehirn – verfügt. Keines der Nervenzentren im Körper hat nur annährernd eine solche interne komplexe Verschaltung der einzelnen Nervenzellen wie sie in allen Teilen des Gehirns gegeben ist. Insbesondere hat der Körper keine Sprachbegriffe, keine Anschauungen und keine Fähigkeit zum abstrakten Denken.Was ist denn das für eine Art von Intelligenz, die kein Wort hervorbringt?! Nicht der Körper, sondern das Gehirn entscheidet, ob der Mensch sich über dicke Bohnen mit Speck her macht oder sich ein grünes Smoothie gönnt. S. auch: http://www.essenspausen.com/kulinarische-koerperintelligenz-statt-studienrummel/
Kahnemanns Empfehlung zu essen, wann man hungrig ist und sich nicht an vorgegebene Essenzeiten zu halten, zeigt, dass er wichtigste Aspekte des Themas des richtigen Essens wie die Mechanismen der körperlichen Fettverbrennung nicht kennt.
Solche Behauptungen aufzustellen, hat mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun. Auch seine Empfehlung, beim Essen einfach aufzuhören, wenn man satt ist, zeigt, dass er sich mit dem Thema nicht ausreichend beschäftigt hat. Sonst wüsste er nämlich von der Funktion des Sättigungshormons Cholezystokinin, das erst 20 Minuten nach der Aufnahme von Nahrung von bestimmter Menge das Gefühl der Sattheit erzeugt. In dieser Zeitspanne existiert keine körperliche oder mentale Vorrichtung (außer dem Spannen der Bauchdecke), die ein Überessen automatisch verhinderte. Da hilft es nur, mit Bedacht zu essen und dafür zu sorgen, dass wir durch unsere Lebensweise und die Art und Weise der Nahrungsaufnahme (native Kost) nicht unterversorgt sind mit dem Esskontrollhormon Serotonin, das den Druck des Hungers langfristig beschränkt.
Eine kleine Ergänzung:
Zu den vielen spektakulären Denkfallen im Sinne von Kahnemann und Dobelli ist mir noch eine weitere Denkfalle eingefallen, in die die Experten aller Fachrichtungen ständig fallen, wenn sie sich außerhalb ihres Fachgebietes bewegen und sich mehr oder minder aus dem Bauch heraus zu Zweifelsfragen auf anderen Gebieten äußern.
Mit dieser Denkfalle für die Pseudo-Universalgelehrten korrelliert die Denkfalle für die Allgemeinheit, Experten auf einem Gebiet automatisch richtige Problemlösungen auf anderen Gebieten zuzutrauen. Wie sonst kämen wir auf die Idee, einen Pastor zum Bundespräsidenten, eine Physikerin zur Kanzlerin, eine Medizinerin zur Verteidungsministerin und reihenweise Rechtsanwälte zu Fachministern zu machen. Da gelten gelernte Nurjuristen wie Schäuble und Merz als Finanzfachleute, wo man doch weiß, dass Juristen nicht rechnen können („judex non calculat“).
Diese allgemeine Fehlhaltung wird noch gestützt durch die von Dobelli beschriebene Denkfalle, ohnehin viel zu leicht Experten zu glauben. In dieselbe Richtung geht mein Beitrag vom 17.12.2012: http://www.essenspausen.com/horen-sie-auf-niemanden/
Physiker erläutern uns die Wahrscheinlichkeit der Existenz eines Gottes. Mediziner wollen uns glauben machen, dass wir eine unsterbliche Seele hätten, die immer wieder geboren würde oder gar, dass Fehlverhalten in früheren Leben heute durch Krankheiten bestraft würde (Dahlke). Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen äußern ihre Überzeugung, dass die Planeten und die Trilliarden und mehr Sterne des Universums unser individuelles Wesen und unser Lebensglück bestimmten (Astrologie). Und schließlich verkünden Psychologen wie Kahnemann, was man beim Essen bedenken soll, um gesund zu bleiben und gut drauf zu sein. Aber hat sich wer die Mühe gemacht, wirklich alle sachlichen Aspekte des jeweiligen Themas zu durchleuchten?
Diese Denkfalle könnte man nennen die
unvernünftige Neigung von Menschen, die auf einem von ihnen beherrschten Gebiet wohl Besonderes leisten können, sich mit demselben Brustton der Überzeugung auch auf anderen Gebieten breit zu machen, ohne sich dort inhaltlich ausreichend zu informieren.
Dabei ist das doch ein besonderes Zeichen der Freiheit der Wissenschaft, dass sie in allen ihren Sparten für jedermann frei ist. Eine Einladung zum blinden Drauflosschwadronieren ist das allerdings nicht. Wer sich auf fremdes Gebiet vorwagt, muss sich sogar besonders gründlich umsehen. Wenn er das tut, hat er eine Chance, mit seinem unverstellten Blick und ohne die Scheuklappen der überkommenen Paradigmen und Dogmen neue Wege zu finden, s.auch http://www.essenspausen.com/zur-wissenschaftlichkeit-des-vorgehens/.